Wann und wo
‚stadtprojektionen I‘ fand im November 2016 in der Innenstadt St.Gallens statt.
‚stadtprojektionen I‘ fand im November 2016 in der Innenstadt St.Gallens statt.
Während der ersten Ausgabe von ‚stadtprojektionen’ wurden am 3. und 4. November 2016 verschiedene Wände in der Innenstadt nachts mit Projektionen sieben Kunstschaffender bespielt. Geografisch im Fokus standen die in der Nacht oft menschenleeren Einkaufsstrassen, die Altstadt sowie das Areal Bahnhof Nord, das mit dem Bau der Fachhochschule in den letzten Jahren grosse Veränderungen erfahren hat. Darüber hinaus lockte ,stadtprojektionen I‘ in wenig belebte Hintergassen und -höfe und zeigte sich an Kreuzungen, wo sich das städtische Nachtleben abspielt. Mit temporären visuellen Veränderungen verwies ‚stadtprojektionen‘ auf unterschiedliche Bedürfnisse und Aktivitäten im öffentlichen Raum sowie gegenwärtige strukturelle Veränderungen in der Stadt wie die vielen leer stehenden Ladenlokale. Die Projektionen nahmen Bezug auf die Geschichte einzelner Häuser oder projizierten neue Narrative auf sie.
Im Rahmen von ,stadtprojektionen I‘ fanden zwei Führungen statt. Die Vernissage wurde im Deportivo Español eingeläutet. Das spanische Klublokal liegt in einem 1905 errichteten Hofgebäude an der Glockengasse 4a. Ursprünglich diente das Parterre als Eich- und Ausstellungslokal und das Obergeschoss, wo die Vernissage ausgetragen wurde, als Laternenwärter-Raum.
‚stadtprojektionen I‘ zeigte Werke sieben Kunstschaffender, die mit den Medien Film und Fotografie arbeiten.
‚Ohne Titel‘, 2016
Stefan Indlekofer zeigt an einer Fassade des Spanischen Klubhauses eine Serie von flüchtigen Beobachtungen aus dem Alltag: Er hat Situationen mit gehenden oder wartenden Menschen fotografiert, wie es sie tausendfach und doch in der jeweiligen Konstellation nur einmal gibt. Entstanden sind die Aufnahmen in St.Gallen und anderswo. Die jeweiligen Orte spielen für den Fotografen eine unwesentliche Rolle, was ihn interessiert ist das Alltägliche und seine Ästhetik. Dinge, die uns alle umgeben, erhalten durch seine Sichtweise eine andere Präsenz – oder sogar Inszenierung.
‚All the elements are unusually congenial to me (Desnivel)‘, 2016
‚qui a deux maison… (Filmstills aus Éric Rohmer‘s ‚Les Nuits de la pleine lune‘)‘, 2012
Die Fotoserie in der Augustinergasse mag dem einen oder der anderen bekannt vorkommen: Sie zeigt Stills aus dem Film ‚Les Nuits de la pleine lune‘ (Vollmondnächte) aus dem Jahr 1984 des französischen Filmregisseurs Éric Rohmer. Der Film thematisiert unter anderem den Wegzug aus dem Stadtzentrum in die Peripherie und wieder zurück. Die oftmals grösseren Farb- und Formflächen der gewählten Stills stehen dabei im Dialog zum rauen, haptischen Fassadenverputz des Gebäudes. Mit der Projektion zwischen zwei quadratische Fensterrahmen öffnen sich neue Blicke – in die Ferne, aber auch in Innenräume. Mit ihrer Arbeit weckt Zhang Sehnsüchte – ebenso mit dem Werk ‚All the elements are unusually congenial to me (Desnivel)‘, einem Reh-Film, der auf die Fassade des Konzert- und Diskussionslokals Palace projiziert wird.
‚Kreisel‘, 2013/2016
An der Aussenwand der Brühlgasse 37 ist der Film ‚Kreisel’ von Sebastian Stadler zu sehen. Mit der Projektion eines Filmes an diesen Ort wird auf die ehemalige Nutzung des Gebäudes verwiesen: Es handelt sich um das Kino Corso, das seit 2012 geschlossen ist. Der Film zeigt zwar deutliche Bilder und ist für den Betrachter trotzdem eine gewisse Zeit lang nicht fassbar. Mittels gleichmässig langsamer Filmaufnahme rückt Stadler in dieser Arbeit verschiedene Verkehrskreisel in das Blickfeld der Betrachtenden. Wie in anderen Werken thematisiert der Künstler auch hier das Sehen beziehungsweise Nicht-Sehen von alltäglichen Gegebenheiten. Erst die Strassenlaternen, die hin und wieder ins Bild treten, geben einen Hinweis darauf, dass der Film im Strassenraum zu verorten ist.
‚Boarded-Up Houses‘, 2016
An der Glockengasse 4a sind Aufnahmen aus der Serie ‚Boarded-Up Houses’ (vernagelte Häuser) der österreichischen Fotografin Katharina Fitz zu sehen. Sie lebt seit diesem Jahr in Nottingham, wo sie sich fotografisch mit unbewohnten Häusern auseinandersetzt. Gegenstand der gezeigten Serie sind ehemalige Arbeiterhäuser aus Backstein, die während der industriellen Blüte in Städten wie Nottingham, Manchester oder Liverpool gebaut wurden. Heute stehen viele dieser Häuser leer – sei es aufgrund des Niedergangs der Industrie oder des Zusammenbruchs des Immobilienmarktes. Fitz macht von solchen, oftmals in Innenstädten errichteten Häusern einzelne, frontale Aussenaufnahmen. Gleichzeitig beinhalten ihre Fotografien immer auch Teile der Umgebung und machen sichtbar, dass nicht nur einzelne Häuser, sondern ganze Nachbarschaften verlassen sind. Mit ‚Boarded-Up Houses’ verweist Fitz darauf, dass sich gesellschaftliche Veränderungen auch visuell im urbanen Raum manifestieren.
‚Stadthaus Projektion N° 16‘, 2016
‚Feuergasse Projektion N° 17‘, 2016
Emil Meiers Fotografien thematisieren Verschiebungen. Eine vorgefundene oder arrangierte Situation dient dem Künstler als Ausgangspunkt für ein Werk. Meier fotografiert diese und projiziert die Aufnahme auf die ursprüngliche Situation. Solche Überlagerungen sind am Stadthaus (Gallusstrasse 14) und am Debrunner-Gebäude (Feuergasse 1) zu sehen.
Der Betrachter wird mit zwei wandeinnehmenden Projektionen konfrontiert, die das dahinter liegende Gebäude zeigen und es zugleich hinter der Fotografie verschwinden lassen. Meiers installative Fotografien generieren eine Plastizität, die im Bild selbst, aber auch bei Betrachtenden Spannungen auslösen, die mit der persönlichen Wahrnehmung vom Realitätsbild spielen.
‚when light meets walls‘, 2014-2016
Von Federico Torra ist an der Webergasse 9 eine Serie von Fensteraufnahmen zu sehen. Sie zeigen tatsächliche Fenster von bekannten sowie unbekannten Bauten oder räumliche Konstellationen, zu deren Umschreibung der Begriff Fenster naheliegt. Mit der Fensterserie thematisiert der Fotograf Übergänge zwischen Innen- und Aussenräumen und regt dazu an, sie auf ihre Beschaffenheit hin zu untersuchen. Torra interessiert sich in seiner Arbeit für das Zusammenspiel von Architektur mit der jeweiligen Umgebung und für Spuren, welche Menschen über die Zeit auf Oberflächen von Bauten hinterlassen. Seine Fotografien sind zurückhaltend in ihrer Farbigkeit und ruhig in der Komposition. Häufiger Bestandteil von Torras Aufnahmen sind Schattenwürfe, die Momente der Irritation in Bezug auf die Wahrnehmung der tatsächlichen Bauformen bewirken.
‚Berühren heisst nicht, dass man auch berührt‘, 2016
Auf einem streifenartigen Betonanbau oberhalb des Kosmetikgeschäfts ‚Rituals’ an der Neugasse 43 erscheint in schwarzer Schrift der Satz ‚Berühren heisst nicht, dass man auch berührt’ von Yelisaveta Staehlin. Mit der Projektion spielt Staehlin direkt auf die Gebäudesituation an der Neugasse 43 an. Über dem Erdgeschoss ist die noch intakte Fassade des prächtigen Jugendstilgebäudes zu sehen, die visuell durch den markanten Betonstreifen vom kürzlich umgebauten Erdgeschoss abgetrennt wird. Der Blick hinauf macht deutlich, dass Gebäudepartien, die sich oberhalb des natürlichen Blickfeldes eines Menschen befinden, im städtischen Alltag oftmals unbeachtet bleiben. Der handgeschriebene Satz von Staehlin lässt auch andere Assoziationen zu – so kann das Berühren auch in Bezug auf die Verwendung der Produkte des Kosmetikgeschäfts gelesen werden.
Unser herzlicher Dank geht an alle Künstler_innen; Rahel Vetsch für die Webseite; Max Frischknecht für den Flyer; Clemens Waibel und Gianluca Trifilo für die technische Unterstützung. Ebenso möchten wir der Stadtpolizei, allen Hauseigentümer_innen sowie den Mieter_innen danken.
Herzlichen Dank!
Die erste Ausgabe von ,stadtprojektionen‘ wurde grosszügig unterstützt durch: